Wer ist eigentlich diese netzwerkAGsozialearbeit?

Die non-professorale Wissenschaft organisiert sich als Fachgruppe in der DGSA.

Der Sommer 2021 in den Sozialen Medien war für eine Weile durch den Hastag #IchBinHanna geprägt. Als Reaktion auf ein Video des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) erklären sollte, äußerten sich tausende Wissenschaftler:innen kritisch zu den Befristungsregelungen und prekären Arbeitsverhältnissen. Die Aktion, von Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon initiiert, schaffte es bis zu einer Aktuellen Stunde im Bundestag und erzeugt weiterhin Resonanz (Mehr Infos zu #IchbinHanna). Auch Gewerkschaften, Berufsverbände und akademische Fachgesellschaften griffen die Aktion auf – nachzulesen bspw. auch hier auf dem DGSA-Blog (Link zum Beitrag von Claudia Steckelberg). Jedoch ist unklar, wie es mit der Debatte weitergehen wird. Umso klarer ist dafür, dass sich die non-professoralen Wissenschaftler:innen auch selbst(organisiert) über ihre Lage verständigen müssen, um für verbesserte Arbeits- und Qualifizierungsbedingungen an Hochschulen einzutreten. Das Hashtag war dabei offensichtlich für viele Motivation und Anlass, ihre Lebens- und Arbeitssituation mit der Community zu teilen und zu skandalisieren. Dabei wurde durch die Sozialen Medien eine gewisse Erleichterung sichtbar, mit den Auswirkungen hochschulpolitischer Strukturen und den sich aus diesen ergebenden Ungewissheiten und Ängsten als sogenannter wissenschaftlicher „Nachwuchs” nicht allein dazustehen. Allerdings gilt es, die angestoßenen Debatten nun auch in der Tiefe zu führen und das kann je nach Disziplin anders aussehen.

Gerade die Disziplin Sozialer Arbeit hat hier besondere Bedingungen, ist sie doch vermehrt an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs) vertreten, an denen sich die Arbeits- und Qualifizierungsbedingungen im Vergleich zu Universitäten unterscheiden. Zudem lässt sich an ihnen deutlich ein quantitativer Zuwachs an non-professoralen Wissenschaftler:innen beobachten, die in der Forschung, Lehre und (Selbst-)Verwaltung tätig sind. Die Unterschiede zwischen den Hochschulformen und die Diversität dieser (Mittelbau-)Stellen sind auch in der Hochschulforschung derzeit noch sehr wenig beschrieben. Ebenso steht in der Disziplin eine befriedigende Reflexion dieser überaus dynamischen Entwicklung noch aus.

In der Sozialen Arbeit gibt es seit einigen Jahren aber auch vielfältige Bestrebungen, die Personen in den Qualifizierungsphasen zu stärken. Mit diesem Blogbeitrag wollen wir eine Initiative innerhalb der DGSA vorstellen, die sich explizit an alle non-professoralen Wissenschaftler:innen Sozialer Arbeit richtet und zum Mitmachen aufrufen.

Einblicke in die Fachgruppen-Gründung

Nach mehr als zwei Jahren war es am 19. Juli 2021 so weit: Die netzwerkAGsozialearbeit nahm als Fachgruppe der DGSA mit ihrer konstituierenden Sitzung ihre Arbeit auf. Damit hat dieser Zusammenschluss eine weitere wichtige Hürde genommen. Die DGSA-Tagung 2018 in Hamburg kann als der Beginn der Arbeit des heutigen Netzwerkes betrachtet werden, auf der sich die netzwerkAG als loser Zusammenschluss der Teilnehmer:innen der ersten Vorkonferenz bildete und mit der Vernetzung begann. Ein Ergebnis dieses Austauschs war die Podiumsdiskussion zu den Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft auf der zweiten Vorkonferenz des sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchses 2019 im Rahmen der Jahrestagung der DGSA in Stuttgart. Im Anschluss an diese Diskussion und den in ihr festgestellten Leerstellen für die spezifische Situation in der Sozialen Arbeit ergab sich ein Votum für einen Anlauf zu einer Organisation der non-professoralen Wissenschaft innerhalb der Strukturen der DGSA.

Mit diesem Mandat ausgestattet begann eine zweijährige intensive Arbeit innerhalb einer Kleingruppe. In dieser Zeit wurde das Profil der heutigen Fachgruppe netzwerkAGsozialearbeit geschärft und dessen Relevanz innerhalb der Fachgesellschaft herausgearbeitet. Dieser Arbeitsprozess fand auch im engen Austausch mit dem Vorstand der DGSA statt. Kurz nach der trinationalen Tagung 2021 war es dann endlich so weit. Der Vorstand gab dem Antrag auf Gründung einer Fachgruppe statt und so finden wir uns hier wieder. 

Die Überlegungen zur Gründung der Fachgruppe sowie die Relevanz für die Disziplin der Sozialen Arbeit und deren non-professorale Wissenschaft haben wir bereits an anderer Stelle besprochen (Sellner et al. 2021 #ICHBINHANNA – #WIRSINDNETZWERK. Theoretische und empirische Rahmung zur Selbstorganisation der non-professoralen Wissenschaft Sozialer Arbeit), sodass wir hier auf die erste Sitzung eingehen wollen.

Zur konstituierenden Sitzung trafen sich 20 Wissenschaftler:innen aus der Sozialen Arbeit. Wir freuten uns besonders darüber, dass das Verhältnis zwischen den Hochschultypen ausgeglichen war. Auf die eingangs gestellte Frage, wo die Teilnehmer:innen angekoppelt sind, haben gleich viele sowohl die Universität als auch die HAW angegeben. Zudem freuen wir uns, dass die Schwerpunkte in den Stellenprofilen breit verteilt sind. Die Teilnehmer:innen haben sowohl einen Schwerpunkt in der Lehre, in der Forschung als auch in der eigenen Qualifikation. Aber auch Personen mit Stipendien oder mit Stellen außerhalb der Wissenschaft und „keiner Stelle“ waren anwesend. Wenig überraschend, aber dennoch bezeichnend war, dass 100% der Teilnehmer:innen befristet angestellt sind. Es zeichnete sich die Diversität innerhalb der non-professoralen Wissenschaft Sozialer Arbeit ab, welche im Vorfeld der Gründung beschrieben wurde (Sellner et al. 2021; zum Vergleich die ausführliche „Nachwuchs“-Erhebung aus 2019). 

Bereits im Vorfeld der Veranstaltung wurden Interessierte aufgefordert, ihre Anliegen an und Vorstellungen von der netzwerkAGsozialearbeit digital in einem Pad einzutragen. Bewusst wurde auf eine vorherige Festlegung von Themen verzichtet, da die Fachgruppe und ihre gesamten Mitglieder diese mit Leben füllen sollen. Im Plenum wurde die Liste ergänzt. Die gemeinsame Verständigung über die Ausrichtung der Fachgruppe soll als Orientierung für die zukünftige Arbeit dienen. Sie soll fortlaufend aktualisiert und modifiziert werden. Die grundsätzliche Idee ist es demnach, dass die Ausrichtung der Fachgruppe von ihren Mitgliedern und den aktuellen Themen der non-professoralen Wissenschaft bestimmt wird.

Die Themen betreffen sowohl die Arbeits- und Qualifizierungsbedingungen von nicht-professoralen Wissenschaftler:innen an Universitäten und HAWs sowie die damit verbundenen Auswirkung auf die Produktion wissenschaftlichen Wissens innerhalb der Sozialen Arbeit, aber auch die Vernetzung mit anderen Akteur:innen (sowohl mit gewerkschaftlichen Gruppen, anderen Nachwuchsorganisationen und innerhalb der DGSA). Deutlich wurde zudem, dass nicht nur die Phase der Promotion, sondern zukünftig auch stärker die Post-Doc-Phase (im Kontext von HAWs) zum Gegenstand der Fachgruppe und damit auch der Fachgesellschaft gemacht werden soll.

Überdies wurde die konstituierende Sitzung auch dazu genutzt, eine Geschäftsordnung zur Abstimmung zu bringen und die Wahl des Sprecher:innenkreises durchzuführen. Die Sprecher:innen freuen sich über das Vertrauen der anwesenden Personen.

Ausblick und Aufruf zur Mitarbeit in der Fachgruppe 

Gleichwohl haben sich neben den Anliegen an die Ausrichtung der Fachgruppe auch viele inhaltliche und organisatorische Fragen ergeben, die in den kommenden Wochen und Monaten bearbeitet werden sollen. Die gegenwärtigen Beschäftigungsbedingungen unter dem WissZeitVG sind hierbei ein elementarer, aber eben auch nur ein Teil. Denn wir wollen nicht nur die arbeitsrechtlichen Bedingungen diskutieren, unter denen wir innerhalb der Sozialen Arbeit forschen, lehren und uns qualifizieren, sondern auch danach fragen, welche Auswirkungen sich daraus für die Profession und Disziplin Sozialer Arbeit ergeben.

Die Fachgruppe richtet sich an alle, die sich der Sozialen Arbeit wissenschaftlich verbunden fühlen und in der Fachgruppe aktiv werden möchten. Ein besonderes Anliegen besteht in der Kooperation mit den anderen Fachgruppen – einige Kontakte bestehen bereits, andere müssen noch aufgebaut werden.

Über die Homepage der DGSA haben unter dem Reiter der Fachgruppe netzwerkAGsozialearbeit (Link zur Fachgruppe)alle Interessierten die Möglichkeit, die Aktivitäten der Fachgruppe zu verfolgen und Informationen zur aktiven Teilnahme zu finden. Wir freuen uns, wenn sich möglichst viele Personen engagieren wollen – sowohl innerhalb der Fachgruppe, aber auch durch Kooperationen.

Autor:innen: Nora Sellner, Fabian Fritz, Tilman Kallenbach, Nils Klevermann (Sprecher:innen der Fachgruppe netzwerkAGsozialearbeit)

Zum Weiterlesen: #ICHBINHANNA – #WIRSINDNETZWERK. Theoretische und empirische Rahmung zur Selbstorganisation der non-professoralen Wissenschaft Sozialer Arbeit (Sellner, Nora; Fritz, Fabian; Kallenbach, Tilman; Klevermann, Nils (2021): #ICHBINHANNA – #WIRSINDNETZWERK. Theoretische und empirische Rahmung zur Selbstorganisation der non-professoralen Wissenschaft Sozialer Arbeit. In: Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen und Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Hg.): Soziale Arbeit, Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete, September 2021. Berlin. S. 322-329.)


Posted

in

by

Tags:

Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Bloggen auf WordPress.com.