Steine aus dem Weg räumen – aber wie? Promovieren in der Sozialen Arbeit an HAW/FH

 „Steinige Wege zur Promotion“ – unter diesem Titel fand im November eine Arbeits-Vorkonferenz von Nachwuchswissenschaftler*innen im Rahmen des Fachbereichstags Soziale Arbeit statt. Trotz der vielfältigen Entwicklungen in einzelnen Bundesländern, die Graduierteninstitute, Promotionszentren und politische Bekenntnisse zur kooperativen Promotion hervorgebracht haben, sind die Steine auf dem Weg zur und durch die Promotion in der Sozialen Arbeit noch längst nicht aus dem Weg geräumt.

Dabei ist die Promotion an HAW/FH in der Sozialen Arbeit inzwischen kein Nischenthema, das nur wenige Beharrliche voranbringen wollen. Im Gegenteil: Eine Vielfalt an Akteur*innen beschäftigt sich mit der Frage, wie Hürden abgebaut und gute Bedingungen geschaffen werden können, um qualitätsvollen Dissertationen in der Sozialen Arbeit den Weg zu ebnen.

So setzt sich der Hochschullehrerbund für ein eigenes Promotionsrecht für HAW/FH ein und macht mit seiner Kampagne „Erfolg braucht…“ mit der Formel 12+1 darauf aufmerksam, dass eine im Vergleich zu den Universitäten sehr hohe Lehrverpflichtung und schlechtere personelle Ausstattung dem differenzierten Aufgaben- und Funktionsspektrum der HAW/FH im 21. Jahrhundert nicht mehr gerecht wird. Allerdings hat der Hochschullehrerbund dabei vor allem die technischen und wirtschaftlichen Disziplinen im Blick und vernachlässigt bisweilen die sozialwissenschaftliche Perspektive Sozialer Arbeit.

Während der Hochschullehrerbund v.a. aus der Perspektive der Professor*innen argumentiert, haben Fabian Fritz et al. die Ergebnisse von einer Studie zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Nachwuchswissenschaftler*innen veröffentlicht. Unter dem Titel „Like a Drug Gang Limbo“ (2020) problematisieren sie dabei auch arbeits- und beschäftigungspolitische Aspekte, die in der Debatte um die Rahmenbedingungen an Hochschulen bislang viel zu wenig zur Sprache kommen.

In der Diskussion sind auch Qualitätskriterien für die Betreuung, Begleitung und Bewertung von Promotionen. Nicht weniger als einen grundlegenden Kulturwandel in den beteiligten Institutionen und im Rollenverständnis der betreuenden Professor*innen, fordert beispielsweise die Projektgruppe der Doktorandinnen und Doktoranden der GEW bereits 2016 in ihrem sehr lesenswerten Positionspapier. Auf einem Workshop, den die Kommission Sozialpädagogik in diesem Herbst veranstaltete, stand in einigen Beiträgen eben dieses öffentliche Nachdenken über die Rahmenbedingungen für das Promovieren (nicht nur) in der Sozialen Arbeit berechtigterweise im Mittelpunkt – und zwar unabhängig vom Hochschultyp, also gleichermaßen an Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Es ist erfreulich, dass die Diskussionen über das Promovieren in der Sozialen Arbeit nicht mehr dominiert werden von den schon fast anachronistischen universitären Ängsten vor einer Inflation und Entwertung der Promotion durch die Verleihung des Promotionsrecht an HAW/FH, sondern das gemeinsame Engagement für eine qualitätsvolle Nachwuchsförderung im Mittelpunkt steht.

 

Die DGSA hat sich in zwei Positionspapieren für kooperative Promotionsverfahren auf Augenhöhe unter gleichberechtigter Beteiligung zwischen HAW und Universitäten eingesetzt und für das Promotionsrecht für HAW/FH ausgesprochen.

Will man dem Thema Promovieren an HAW/FH in der Sozialen Arbeit vollumfänglich gerecht werden, müssen verschiedene Forderungen zusammen gedacht werden, weil sie nur gemeinsam zielführend sind. Das Promotionsrecht für HAW/FH ist überfällig und gerade für die Wissenschaft Soziale Arbeit, die vor allem an diesem Hochschultyp gelehrt, beforscht und weiterentwickelt wird, von zentraler Bedeutung. Um dieses Recht in eine gelingende Praxis umsetzen zu können, müssen die Rahmenbedingungen für Lehre und Forschung an HAW/FH verbessert werden und zwar für alle Statusgruppen gleichermaßen. Zum Dritten muss der geforderte Kulturwandel bei der Promotionsbetreuung auf den Weg gebracht werden, um Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse abzubauen und unterstützende Konzepte für den Promotionsprozess zu entwickeln. Und nicht zuletzt ist es notwendig, dass diese drei Forderungen stärker als bisher gemeinsam mit Nachwuchswissenschaftler*innen zum Ausdruck gebracht und verfolgt werden.

Es gilt, Bündnisse zu schmieden für die gemeinsame Sache, nämlich Steine auf dem Weg zur und während der Promotion aus dem Weg zu räumen und neue gangbare Wege zu ebnen.

 

Prof. Dr. Claudia Steckelberg, Vorstandsmitglied der DGSA und Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Neubrandenburg


Literatur

•        Fritz, Fabian et al. (2020): Lika a Drug Gang Limbo. Lebens- und Arbeitsbedingungen „junger“ Wissenschaftler_innen Sozialer Arbeit. Ein Diskussionsbeitrag. In: Steckelberg, Claudia/Thiessen, Barbara (Hg.): Wandel der Arbeitsgesellschaft– Soziale Arbeit in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung und Prekarisierung. Opladen. S. 237-249