Sozialarbeiter*innen – gefragt wie noch nie, schlecht bezahlt wie bisher?

Aus der Süddeutschen Zeitung kommen positive Nachrichten: Für den April 2016 meldet die Bundesagentur 120 offene Stellen pro hundert arbeitslose Sozialarbeiter*innen. Real vermutet Oliver Koppel, Arbeitsmarktexperte vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sogar ein Verhältnis von bis zu 500 zu hundert. Längst nicht alle offenen Stellen werden bei der Arbeitsagentur gemeldet und über andere Wege besetzt.

Auch die Zeit bestätigte vor kurzem diese Nachrichten. Die Berufsgruppe der Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen wurde dort als die auf dem Arbeitsmarkt für das Jahr 2015 gefragteste Berufsgruppe beschrieben. Bereits 2015 stiegen die offenen Stellen pro 100 Arbeitslose von 45 auf 114 an. Im Vergleich lag die Berufsgruppe der Ingenieur*innen der Energie- und Elektrotechnik hier bei 60 bis 71 offenen Stellen pro 100 Arbeitslose. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft gibt bekannt, dass damit die "klassische Ordnung der Engpassberufe ... auf den Kopf gestellt" wurde.

Nun ist diese Entwicklung nicht ganz neu. Bereits 2010 wurde in den "Materialien zur Entwicklung des Arbeitsmarktes für SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen" die positive Arbeitsmarktentwicklung der Sozialen Arbeit im Vergleich mit anderen Berufsgruppen festgestellt.

Dennoch bleibt es sehr erfreulich, dass der "Wachstumsberuf Soziale Arbeit" nun in den Medien als solcher erkannt und benannt wird. Und es kann festgehalten werden, dass die Soziale Arbeit in den beiden Artikeln als relevanter, attraktiver, und abwechslungsreicher "sozialer Expertenberuf" auftaucht und nicht als Tätigkeit, die notfalls auch von gutmeinenden Laien oder anderen Berufsgruppen einfach übernommen werden kann.

Weniger glücklich ist, dass die Soziale Arbeit in beiden Zeitungen sehr stark als Flüchtlingsprofession dargestellt wird und viele ihrer weiteren Handlungsfelder dabei unter den Tisch fallen.

Und es bleibt zu fragen, ob der wachsende Bedarf an Sozialarbeiter*innen sich auch in verbesserten Arbeitsbedingungen und einer Vergütung bemerkbar machen wird, die einem akademischen Expert*innenberuf angemessen ist. Wenn auch hier die Sozialarbeiter*innen die Ingenieur*innen ein- und überholen werden, dann werden einige der hier noch offenen Fragen auch geklärt sein.



6 responses
Dass die Arbeitslosigkeit unter den Sozialarbeiterinnen und Sozialasrbeitern in Deutschland so niedig ist, ist sicherlich für die professionellen Fachkräfte, die eine Stelle suchen, erfreulich. Gleichzeitig wirft es aber auch ein bedenkenswertes Bild auf den Zustand unserer Gesellschaft, wenn es hier einen steigenden Bedarf gibt. Nichtsdestotrotz kann man im internationalen Vergleich wohl darin auch Hinweise für das Funktionieren des Sozialstaats entdecken, der auf Notlagen bzw. Bedürfnisse der Bevölkerung reagiert. Bleibt nur zu wünschen, dass sich die beruflichen Rahmenbedingungen verbessern. Das liegt aber natürlich zu einem gewissen auch an den Berufsangehörigen selbst, die sich gewerkschaftlich und berufsverbandlich (z.B. im DBSH) organisieren sollten, um für bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu streiten.
Ja, ich glaube die berufsständische Interessenvertretung ist hier durchaus noch ausbaufähig. Diese Frage ist leider nicht ganz neu und ich finde es immer noch spannend, hier nach konkreten Strategien zu suchen. Ideen und konkrete Vorschläge sind gerne willkommen.
Soziale Arbeit verkriecht sich in der Praxis (leider) häufig noch immer in ihren längst überholten Nischen. Diese Winkel sind bequem, vertraut, fast schon historisch verankert. Veränderungen machen Angst, bringen Unsicherheit. Deswegen lässt man lieber alles beim Alten. Ein schwarz gezeichnetes Bild des Zustandes sozialer Arbeit in der Praxis und doch leider so real. Ich hoffe, diese Unterstellungen finden viele empörte Gegenstimmen, die vom Gegenteil berichten! Meiner Erfahrung nach finden die Kämpfe noch immer in der sozialen Arbeit selbst statt - zwischen Theorie und Praxis. Gegeneinander. Was fehlt, ist das Miteinander für ein gemeinsames Ziel: die gesellschaftliche Anerkennung der (Menschenrechts-)Profession Soziale Arbeit. Dann kann dies nicht passieren, was ich erst gestern unter "offene Stellen" der hiesigen Zeitung gelesen habe: gesucht wird eine Sozialarbeiterin für eine anspruchsvolle pädagogische Tätigkeit. Angeboten wird ihr E 7! Das entspricht dem Einkommen einer Erzieherin. Selbst als Master ist es vielfach geradezu unmöglich, in der Praxis über die Gehaltsstufe E 9 hinauszukommen. Meinen Vorrednern kann ich mich nur anschliessen: Soziale Arbeit muss sich noch viel mehr organisieren, vernetzen, kommunizieren – die Theorie in die Praxis, die Praxis in die Theorie bringen. Sie muss dringend lernen, was M. Pfadenhauer einmal auf folgenden Begriff gebracht hat: Kompetenzdarstellungskompetenz!
Herzlichen Dank außerdem an die Initiatoren dieses Blogs! Diese Form der Kommunikation eröffnet unglaubliche Möglichkeiten der Vernetzung und der Diskussion! Danke!
Danke für den Beitrag und die Möglichkeit der Kommunikation über den Blog. Ich persönlich bin unsicher, ob es Sinn macht, permanent nach der berufsständischen Interessenvertretung zu rufen. In meinen Augen - und da gefällt mir der Begriff sehr gut - geht es eher um die Kompetenzdarstellungskompetenz. Und das bedeutet, zunächst eine Arbeit zu machen, die es "wert" ist, bezahlt zu werden. und darüber muss die Soziale Arbeit dann kommunizieren, berichten, gute Geschichten schreiben etc. Aktuell habe ich aber eher das Gefühl, dass der Fachkräftemangel zur Absenkung der Standards führt (bspw. Auflösung der staatl. Anerkennung in Niedersachsen). Das wiederum führt dazu, dass tatsächlich jeder "Soziale Arbeit" machen kann, was dann wiederum zu der Frage führt, warum man dafür besser bezahlt werden sollte...
Ich denke, es braucht beides: Eine gute Interessenvertretung des Berufsstands und eine gute Darstellung der eigenen Kompetenzen. Und idealerweise sind diese Kompetenzen auch gut hinterlegt mit Fachwissen und -können. Hier hoffen wir als DGSA als Ort der Debatte auch einen Beitrag zu leisten. Und zur Einschätzung der aus unserer Sicht dazu nötigen Lehrinhalte können auch als Referenzrah auf das aktuelle Kerncurriculum Soziale Arbeit der DGSA verweisen.