#dauerhaftsystemrelevant – die Fachkräfte-Kampagne macht Soziale Arbeit in der Pandemie sichtbar

Wird Soziale Arbeit während einer Pandemie benötigt? Ist es notwendig, dass soziale Einrichtungen während einer Pandemie geöffnet bleiben? Wie sollen Fachkräfte der Sozialen Arbeit mit ihren Klient*innen im Kontakt bleiben? Was passiert, wenn Fachkräfte Sozialer Arbeit sich und ihre Klient*innen nicht vor einer Virusansteckung schützen können, weil es keine Schutzkonzepte, Schutzmaßnahmen und Schutzausrüstung gibt? Und wie bleiben Fachkräfte der Sozialen Arbeit handlungsfähig, wenn die Kommunikation und der fachliche Austausch, zum Beispiel durch nicht mehr gestattete Teamsitzungen, stark reduziert wird?

Im Zuge der Covid-19-Pandmie stellen sich viele fachliche Fragen für die Soziale Arbeit, die spezifischen Handlungsfelder und die Fachkräfte. Diese einleitenden Fragen sind ein Ausschnitt der Fragen, die Fachkräfte der Sozialen Arbeit im Rahmen ihrer Praxisberichte für die Kampagne #dauerhaftsystemrelevant nachgegangen sind. 

Das Covid-19-Virus verändert in diesem Jahr unser aller Leben gravierend. Bisher gewohnte Lebens- und Arbeitsweisen sind zurzeit nicht praktizierbar. Diverse politische Ge- und Verbote sind Maßnahmen gegen eine unkontrollierte Verbreitung des Corona-Virus und dienen dem Schutz vor einer Ansteckung. Hygienevorschriften und Schutzkonzepte wurden in allen gesellschaftlichen Bereichen erarbeitet und bestimmen seither maßgeblich den (Arbeits-)Alltag. 

Zu Beginn der Pandemie entstanden in Deutschland eine politische und mediale Debatte und Systematisierung von Berufsgruppen nach dem Merkmal der „Systemrelevanz“. Dies hatte zur Folge, dass einige Professionen und Berufsgruppen in den gesellschaftlichen, politischen und medialen Fokus rückten und als systemrelevant anerkannt wurden. Es handelte sich dabei um Berufsgruppen, aus bspw. der Pflege-, Lebensmittel- und Transportbranche, die vorher kaum Beachtung und Wertschätzung in der Gesellschaft und der öffentlichen Wahrnehmung erfuhren. Die verantwortungsvolle Funktion dieser Berufsgruppen für die Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung wurde zu Beginn der Pandemie besonders deutlich. Doch welche Rolle spielte die Soziale Arbeit in diesen Debatten? Ist Soziale Arbeit systemrelevant, sodass sie auch in Zeiten einer Pandemie in ihrer Funktion und Bedeutung für die Gesellschaft anerkannt werden muss? 

 

Entstehung, Ziele und Arbeitsweise der Kampagne #dauerhaftsystemrelevant 

Zu Beginn der Pandemie stellte die Soziale Arbeit weder in der medialen noch in der politischen Wahrnehmung eine zentrale Rolle hinsichtlich der Systematisierung von systemrelevanten Berufen. Die durch die Pandemie mitunter erheblich erschwerten und zum Teil gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen für Fachkräfte der Sozialen Arbeit und die Auswirkungen der Pandemie auf deren Adressat*innen erhielten keine öffentliche Aufmerksamkeit. Bereits zuvor bestehende Missstände in der Sozialen Arbeit wurden durch die Pandemie für die dort tätigen Fachkräfte sowie deren Adressat*innen noch gravierender. Dies wurde unabhängig von den unterschiedlichen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit beobachtet.

Diese fehlende Beachtung der Sozialen Arbeit als ebenfalls relevante Profession für die Bevölkerung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Versorgung sowie die Unterstützung der vielzähligen Adressat*innen wurde zu einer Antriebskraft unzufriedener Fachkräfte. Initiiert vom Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) e. V. entstand daraus resultierend nach ersten informellen Austauschen Ende März die bundesweite Fachkräfte-Kampagne #dauerhaftsystemrelevant, um für eine stärkere öffentliche Wahrnehmung Sozialer Arbeit und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Gehälter einzutreten. 

Ein Mitwirkungsaufruf wurde an alle interessierten Studierenden, Fachkräfte der Sozialen Arbeit und die im Feld der Sozialen Arbeit tätigen Verbände gerichtet. Der Aufruf verfolgte das Ziel der Vernetzung und Kooperation nach dem Motto „Gemeinsam finden wir mehr Gehör“. Um digital sichtbar zu werden und eine möglichst breite Reichweite zu generieren, wurden Accounts für die Kampagne auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen, wie Facebook, Instagram, Twitter und Telegram, erstellt. Auch eine Homepage wurde für die Veröffentlichung von Positionspapieren, Stellungnahmen, Praxisberichten etc. eingerichtet. 

Die Kampagne setzt sich gleichermaßen für die Profilierung sowie die gesellschaftliche Anerkennung der Systemrelevanz Sozialer Arbeit ein. Ausgehend von der Überzeugung, dass Soziale Arbeit systemrelevant ist, fordert die Kampagne eine adäquatere Ausstattung (sowohl personell als auch materiell). Systemrelevanz verdeutlicht in diesem Kontext zum einen die Funktion des Zusammenhalts und der Stabilisierung des gesellschaftlichen Systems. Zum anderen beinhaltet der Auftrag Sozialer Arbeit die kritische Auseinandersetzung mit und die Initiierung von Veränderungsprozessen aus der Perspektive der Fachkräfte sowie der Adressat*innen Sozialer Arbeit. 

Das bundesweite Kampagnenteam besteht aus ca. 30 Fachkräften aus unterschiedlichsten Arbeitsfeldern Sozialer Arbeit und trifft sich regelmäßig montags von 19 bis 21 Uhr digital zu sog. Montags-Meetings. Das Kampagnenteam ist eine offene und sich kontinuierlich verändernde Gruppe, die sich strukturell in drei Arbeitsgemeinschaften gliedert: Kampagnenplanung, Tagebuch und Social Media. Die AG Kampagnenplanung entwickelt die strategische Ausrichtung der Kampagne und leitet daraus die notwendigen Maßnahmen ab. Daran anknüpfend werden Presseerklärungen, Stellungnahmen, Positionspapiere und weitere Publikationen erarbeitet. Weiterhin werden potenzielle Kooperationspartner*innen ermittelt und kontaktiert, um das Netzwerk an Unterstützer*innen kontinuierlich zu vergrößern. Die AG Tagebuch erstellt Aufrufe für Praxisberichte, in denen Fachkräfte der Sozialen Arbeit aus ihrem konkreten Arbeitsalltag berichten können. Diese Praxisberichte dienen einerseits dazu, einen Einblick in die Arbeitsbedingungen des jeweiligen Handlungsfeldes zu erhalten und zu veröffentlichen. Anderseits werden aus diesen Praxisberichten spezifische Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen abgeleitet. Die AG Social Media ist für die mediale Darstellung der Kampagne verantwortlich. Die bereits erwähnten Social-Media-Kanäle werden regelmäßig mit Informationen, Praxisberichten etc. bespielt. Auf diesem Weg können die Öffentlichkeit erreicht und weitere Unterstützer*innen gewonnen werden. Es entsteht dadurch ein kontinuierlicher Kreislauf zwischen Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerkerweiterung,

Sammlung und Weitergabe von Informationen aus und für die Praxis, Ableitung sowie Erstellung von Positionspapieren. 

 

Bisherige Meilensteine und nächste Schritte der Kampagne 

Die Kampagne konnte bereits mehrere Meilensteine erreichen und Erfolge erzielen:

·       Veröffentlichung diverser Tagebucheinträge/ Praxisberichte von Fachkräften Sozialer Arbeit aus unterschiedlichen Handlungsfeldern

·       Generierung von konkreten berufspolitischen Forderungen zu bestimmten Handlungs-feldern und mediale Verbreitung dieser

·       Veröffentlichung der Stellungnahmen „Who cares? - Soziale Arbeit während der Corona Pandemie“ und „Jetzt erst recht! Investitionen statt Einsparungen in der Sozialen Arbeit!“

·       Stetige Zunahme der Follower-Zahlen auf den Social-Media-Kanälen (Twitter: 312 Follower; Facebook: 1.635 Gefällt-mir-Angaben und 1.726 Abonnent*innen; Instagram: 928 Follower; Telegram: 256 Abonnent*innen Stand 28. November 2020)

·       Stetige Zunahme der Kooperationen mit anderen in der Sozialen Arbeit tätigen Verbänden und Organisationen

·       Externe mediale Berichterstattung über die Kampagne und ihre Inhalte in Form von Interviews für Zeitschriften, Blogs und Fernsehen

·       Versendung eines monatlichen Newsletters

·       Berufspolitische Einflussnahme auf die NRW-Kommunalwahlen in Aachen, Bochum, Münster und Köln über das Versenden von Wahlprüfsteinen an die Parteien und die Veröffentlichung der Antworten der Parteien über eigene Social-Media-Kanäle

Die vielfältigen Tätigkeitsfelder Sozialer Arbeit sind von sehr unterschiedlichen gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen geprägt. Aus diesem Grund wurden in einem ersten Schritt vier Handlungs- und Wirkungsfelder Sozialer Arbeit ausgewählt, zu denen Profilberichte mit spezifischen Fakten und Forderungen erstellt und auf der Homepage veröffentlicht wurden. Weitere handlungsfeldbezogene Profilberichte sind aktuell in Arbeit und werden im Laufe der nächsten Wochen veröffentlicht. Ebenso werden auch zu Querschnittsthemen der Sozialen Arbeit, wie etwa dem Zeugnisverweigerungsrecht, den prekären Praktikumsbedingungen oder auch dem schwierigen Stand der Sozialen Arbeit als wissenschaftliche Disziplin, Forderungen veröffentlicht. 

Mit den konkreten Forderungen zu den spezifischen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit wird das Wahljahr 2021 angesteuert. Die Kampagne möchte die Relevanz Sozialer Arbeit für die Bevölkerung (medial) nachvollziehbar machen und einen richtungsweisenden Einfluss auf die Politik, hinsichtlich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, nehmen.

In diesem Kontext werden im kommenden Jahr konkrete Aktionen digital sowie bundesweit „vor Ort“ geplant – natürlich unter Berücksichtigung der pandemiebedingten Schutzmaßnahmen. 

 

Fazit 

„Sozialarbeiter*innen wurden vor der Pandemie gebraucht, sie werden nach der Pandemie gebraucht und vor allem hätte es mehr als genug Klient*innen gegeben, welche sie vor allem währenddessen gebraucht hätten!“ (vgl. Praxisbericht „Lockdown für die Teilhabe?“).

Die Arbeit von Sozialarbeiter*innen ist unverzichtbar. Sie halten das soziale Netz stabil und tragen dazu bei, dass soziale Problemlagen bewältigt, abgemildert oder verhindert werden. Mit dieser Arbeit sichern sie gesellschaftliche Teilhabe und tragen dazu bei, dass Grundrechte verwirklicht werden. Auch während einer Pandemie müssen Fachkräfte der Sozialen Arbeit Kontakt zu ihren Klient*innen halten (können)! Es bedarf dafür besserer Arbeitsbedingungen, die unter anderem die fachliche Kommunikation der Fachkräfte auch in der Pandemie sichert. Denn: „Kommunikation und fachlicher Austausch darf auch in der Krise nicht vernachlässigt werden und ist enorm wichtig, um gemeinsam und stark durch diese Zeit zu kommen und ohne dass Schaden genommen oder verursacht wird.“ (vgl. Praxisbericht „Kommunikation und fachlicher Austausch darf auch in der Krise nicht vernachlässigt werden!“). 

Es besteht weit über die Pandemie hinaus noch viel Handlungsbedarf hinsichtlich der Aufwertung der Profession und Disziplin Sozialer Arbeit. Die Kampagne will einen wichtigen Beitrag leisten, um die Soziale Arbeit in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen und ihre Relevanz für viele Adressat*innen und die Gesellschaft zu verdeutlichen. Soziale Arbeit ist nicht nur während einer Pandemie systemrelevant – Soziale Arbeit ist #dauerhaftsystemrelevant. Dafür steht die Fachkräftekampagne. 

So kann die Kampagne unterstützt werden: Durch Weitersagen und Verbreiten der Kampagne im Freund*innen- und Kolleg*innenkreis, durch das Folgen und Liken der Social-Media-Accounts (Facebook, Instagram, Twitter, Telegram), das Verfassen und Einsenden eigener Praxisberichte sind mögliche Unterstützungsformen. Des Weiteren können Sie gerne aktiv an den Montags-Meetings mitwirken und/oder sich als Institution/Verband mit der Kampagne solidarisieren. 

Schreiben Sie uns daher gerne Ihre Fragen, Anregungen und Rückmeldungen an mail@dauerhaft-systemrelevant.de

Weitere Informationen und alle Stellungnahmen, aktuelle handlungsfeldbezogene Profilberichte mit jeweiligen Fakten und Forderungen, Medienberichte über die Kampagne, Praxisberichte und vieles mehr finden Sie unter: www.dauerhaft-systemrelevant.de

 

Für das Kampagnenteam von #dauerhaftsystemrelevant

Ellen Bogorinsky/Leitungsteam Junger DBSH und Denise Lehmann/Mitglied im Gesamtvorstand der DVSG