Das umstrittene
Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG), das bereits im letzten Jahr vom Gesetzgeber
beschlossen wurde, ist am 01.07.17 in Kraft getreten. Der Name ist
vielversprechend: ein Gesetz, das eine marginalisierte und stigmatisierte
soziale Gruppe unter rechtlichen Schutz stellt, klingt wie eine gute Sache. Ist
es aber nicht. Das jedenfalls sagen diejenigen, die geschützt werden sollen. So
ist beispielsweise eine Verfassungsklage von mehr als 20 Sexarbeiter_innen (und zwei Freiern) in Vorbereitung, die vom
Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen unterstützt wird. Aber
auch der Deutsche Juristinnenbund, die Deutsche Aidshilfe sowie zahlreiche
Gesundheitsämter und Fachberatungsstellen der Sozialen Arbeit äußern sich
kritisch.
Worum geht es? Das Prostituiertenschutzgesetz führt unter anderem eine Pflicht zur Anmeldung der Prostitutionstätigkeit ein, bei der eine namentliche Registrierung erfolgt und eine Bescheinigung mit Lichtbild ausgestellt wird, die bei der Arbeit mitzuführen und vorzuzeigen ist. Im Zuge dieser Anmeldung muss ein Informations- und Beratungsgespräch geführt werden, bei dem unter anderem eingeschätzt werden soll, ob die Tätigkeit freiwillig oder unter dem Druck Dritter ausgeführt wird. Oder ob weitere Unterstützung und Hilfe nötig sind. Es besteht außerdem eine Verpflichtung seitens der Sexarbeiter_innen zur gesundheitlichen Beratung in regelmäßigen Abständen.
Was diese Einführung von Kontrolle und Zwang mit dem Schutz von Sexarbeiter_innen zu tun haben soll, diese Logik erschließt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung. Prostituierte, heißt es da, befänden sich vielfach in einer „besonders verletzlichen und belastenden Situation“. Daraus wird dann geschlossen, dass sie nicht in der Lage seien, „selbstbestimmt für ihre Rechte einzutreten“ zum Beispiel im Kontext von Menschenhandel, Gewalt und Zuhälterei. Als ein Ziel des Gesetzes wird konsequenterweise die Stärkung der Selbstbestimmungsrechte von Sexarbeiter_innen formuliert. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Maßnahmen wie Kontrolle und Zwang als wirksam angesehen. Die Pflicht zu Registrierung und Beratung stärke den Zugang von „Frauen und Männern in der Prostitution zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten“.
Hinter dieser Logik steht ein recht paternalistisches Verständnis von Schutz. Der Fremdbestimmung und Ausbeutung von Prostituierten wird nicht etwa mit einem empowernden Ansatz durch die Stärkung der Selbstbestimmung und des Selbstschutzes entgegengewirkt. Vielmehr wird der „bösen“ Bevormundung im Milieu die „gute“ Bevormundung durch die Behörden entgegengesetzt. Zu Recht kritisiert Hydra e.V., dass das Gesetz die „Mitbestimmung durch die Betroffenen und den Rückgriff auf deren Expertise in Bezug auf ihre eigene Lebensrealität“ vermissen lässt.
Freiwilligkeit und Anonymität in der Beratung und nicht Zwang und Kontrolle, das zeigen schon allein die Erfahrungen aus der Praxis der Gesundheitsämter und der Fachberatungsstellen, eröffnen den Sexarbeiter_innen in ihren sehr heterogenen Lebenslagen den Zugang zu Unterstützung und Hilfe.
Vor diesem Hintergrund ist es schwer vorstellbar, dass das Prostituiertenschutzgesetz einlöst, was der Name verspricht. Vielmehr ist zu befürchten, dass der Alltag zusätzlich erschwert und Selbstbestimmung weiterhin eingeschränkt wird. Dass eine wesentliche Belastung von Sexarbeiter_innen durch strukturelle Verhältnisse (wie dem Ausländerrecht oder dem Arbeitsmarkt) verursacht wird, wird bei der Begründung der Schutzbedürftigkeit völlig ausgespart. Eine besondere Belastung stellt die Anmeldepflicht für nicht deutsche Frauen (und Männer) dar, die bei der Anmeldung eine Arbeitsberechtigung nachweisen müssen. Ist ihnen dies nicht möglich, haben sie ein zusätzliches Problem. Diese Sexarbeiter_innen werden durch das neue Gesetz keineswegs geschützt. Sie werden erpressbar und sind in der Illegalität gefährdeter als zuvor.
Wichtig ist es jetzt, fachliche
Qualitätsstandards in der Umsetzung des Gesetzes zu formulieren und einzufordern.
Den Kommunen steht es frei zu entscheiden, welche Behörde mit welchem Personal
für den Prostituiertenschutz zuständig sein wird. Gefordert wird von Seiten der
Gesundheitsämter und der Fachberatungsstellen der
Sozialen Arbeit, dass Informations- und Gesundheitsberatung im Rahmen des
Anmeldeverfahrens durch Fachkräfte aus der Sozialen Arbeit und dem Gesundheitswesen
durchgeführt werden. Anonyme und freiwillige Angebote müssen erhalten und
ausgebaut werden, die auf einem Vertrauensverhältnis aufbauend „eine zielführende Beratung
im Sinne von Selbststärkung und Selbsthilfe“ zulassen.
Prof. Dr. Claudia Steckelberg, Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Neubrandenburg und Vorstandsmitglied der DGSA