Fachgruppe Alter: „Was machen die eigentlich?“

Es wird uns wohl niemand widersprechen: Die Lebenslagen im Alter sowie Herausforderungen und Potenziale des Alter(n)s gewinnen seit einigen Jahren auch fachspezifisch für die Soziale Arbeit in verschiedenen Handlungskontexten an Bedeutung. Was lag da näher als die Gründung einer Fachgruppe zu eben diesem Gegenstand in der DGSA? Nichts! Also hat sich im Rahmen der Jahrestagung der DGSA 2019 in Stuttgart die Fachgruppe „Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s” gegründet. Der Titel vereint dabei zwei Perspektiven: Zum einen die Beschäftigung mit einer spezifischen Zielgruppe der Angebote der Sozialen Arbeit – nämlich ältere und alte Menschen – und zum anderen die Auseinandersetzung mit einer spezifischen Perspektive auf den Gegenstand Alter(n) – nämlich die der Profession und Disziplin Soziale Arbeit.

Wir versuchen beide Aspekte zu berücksichtigen und haben folgende (erste) Inhalte und Themen für die Arbeit der Fachgruppe festgehalten:

-     Aufarbeiten des Spektrums der Sozialen Arbeit in Kontexten des Alter(n)s und der Diskurse zum Alter(n) in der (Alters-)Sozialpolitik und Sozialen Arbeit,

-     Formulierung der Herausforderungen für die Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s (u.a. auch politische Rahmenbedingungen),

-     (Weiter-)Entwicklung von professionstheoretischen Grundlagen für die Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s,

-     Herausarbeiten von Forschungsdesideraten und -fragen Sozialer Arbeit in Kontexten des Alter(n)s,

-     Aufarbeiten der Situation in der Lehre in BA-/MA-Studiengängen (in grundständigen/generalistischen Studiengängen Sozialer Arbeit sowie themenspezifischen Studiengängen Sozialer Arbeit und Gerontologie).

Kurz gesagt hat es sich die Fachgruppe „Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s“ zur Aufgabe gemacht, Fragen der Sozialen Arbeit in Bezug auf das Alter(n) grundlegend und handlungsfeldübergreifend, aber originär in disziplinärer und professioneller Perspektive der Sozialen Arbeit zu thematisieren, kritisch zu reflektieren und zu bearbeiten. 

Als alle formalen Fragen geklärt waren, konnte die inhaltliche Arbeit beginnen: Dazu fand ein erstes Arbeitstreffen der Fachgruppe – eine mittlerweile rund 20 Personen umfassende, interdisziplinäre Gruppe von Tätigen in Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit mit unterschiedlichen Bezügen zum Thema Alter – im September 2019 in Kassel statt. Bei aller Heterogenität vereinte uns quasi die Frage: „Wie muss man den wissenschaftlichen Witz erzählen, damit die Pointe Soziale Arbeit ist?“ Welche Fragen müssen also im Kontext von Alter(n) gestellt werden, damit die Antwort „Soziale Arbeit“ ist? Klar ist, ein Bezug auf den Gegenstand Alter(n) findet bereits aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven statt. Und auch die Arbeit mit älteren und alten Menschen in verschiedenen Handlungsfeldern ist nicht rein der Sozialen Arbeit vorbehalten, sondern wird durch unterschiedliche Berufsgruppen geleistet. Da lässt sich doch fragen, was die spezifische Perspektive der Sozialen Arbeit eigentlich ausmacht. Nun könnte diese Frage einerseits normativ (was soll Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit zum Gegenstand beitragen?), andererseits deskriptiv gestellt werden (was leistet die Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit bereits?). Es geht also darum, die eigene Perspektive zu schärfen und von der der Nachbardisziplinen abzugrenzen. Wobei bereits die Metapher der Nachbarschaft eine inhaltliche und/oder methodische Nähe suggeriert, die wiederum die Frage nach Differenzierungskriterien aufwirft. Das bringt uns zum nächsten wichtigen Aspekt: Bei aller Schärfung des eigenen Blicks soll der Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und Berufsgruppen nicht vernachlässigt werden – zumal Soziale Arbeit in Disziplin und Profession ja auch explizit durch Transdisziplinarität und multiprofessionelle Kontexte gekennzeichnet ist. Klingt nach einer komplizierten Angelegenheit? Dass es das irgendwie auch ist, zeigte eine erste Diskussion um die Zusammenstellung einer Literaturliste: Was gehört auf eine solche Liste, sofern sie das Spezifische des Blicks der Sozialen Arbeit auf Kontexte des Alter(n)s sowie den aktuellen Forschungsstand wiedergeben soll? Und was sind dann adäquate Such-/ bzw. Recherchekriterien? 

So viele offene Fragen... Wie geht es nun weiter? Für die gemeinsame Jahrestagung der DGSA, OGSA und SGSA im April 2020 in Landshut hat die Fachgruppe ein erstes Panel mit dem Titel „Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s: Ausgrenzungs- und Kohäsionsperspektiven“ eingereicht. In Bezug auf verschiedene Berufsfelder und -gruppen in der Altenhilfe soll kritisch reflektiert werden, mit welchen Ausgrenzungs- und Kohäsionserfahrungen die im Feld tätigen Akteur_innen konfrontiert sind sowie zu welchen Ausgrenzungs- und Kohäsionsprozessen ihr Handeln beitragen kann. Dafür werden aus aktuellen Promotionsprojekten die Erfahrungen und Deutungen von 1. Fachkräften Sozialer Arbeit, 2. Pflegekräften mit Migrationshintergrund und 3. Alltagsbegleiter_innen mit Behinderung vorgestellt und in ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit – in der multiprofessionellen Zusammenarbeit – diskutiert. Darüber hinaus ist in Zusammenarbeit der AG ‚Altern und Soziale Arbeit‘ (OGSA) und der FG ‚Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s‘ (DGSA) ein trinationales Panel entstanden. Unter dem Titel „Immer mehr Alte – Und jetzt? – Ein trinationaler Blick auf die Soziale Arbeit mit alten Menschen“ wird gefragt, welche Rolle die Soziale Arbeit in der Arbeit mit alten Menschen spielt und spielen kann. Dafür wird ein Blick auf die Spezifika der drei Länder Deutschland, Österreich und Schweiz gerichtet. In allen drei Ländern steigt der Anteil der ab 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung. Die gleichzeitige Unterversorgung in diversen Lebenslagen-Dimensionen stellt insbesondere die Daseinsvorsorge vor Herausforderungen. Das Panel soll genutzt werden, um mit den Kolleg_innen aus Österreich und der Schweiz in Kontakt zu kommen und Möglichkeiten gegenseitiger Lernprozesse zu diskutieren.

Auch unabhängig von der Jahrestagung in Landshut wird es in diesem Jahr wieder Gelegenheit zum Austausch rund um Fragen der Sozialen Arbeit in Kontexten des Alter(n)s geben: Das nächste Fachgruppentreffen findet am 19./20.06.2020 in Frankfurt a.M. statt.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, dazu zu kommen und die aufgeworfenen offenen Fragen, die sicher noch nicht abschließend gesammelt sind, zu diskutieren.

Eva Maria Löffler und Sabrina Reuther für die FG Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s