Warum warten wir in unseren Seminaren in Studiengängen
Sozialer Arbeit eigentlich auf kollektives Stöhnen, wenn wir über Theorien
sprechen? Warum reproduzieren wir damit selbst immer wieder die Geschichte des
Gaps zwischen Theorie und Praxis in der Sozialen Arbeit? Immer wenn wir uns
theoretisierend mit Sozialer Arbeit auseinandersetzen, macht das Spaß: in der
Lehre ebenso wie in der Forschung, zusammen mit Studierenden und mit
Kolleg*innen. Warum? Weil wir miteinander im Gespräch sind, weil wir gemeinsam
etwas entwickeln und erleben, dass uns diese Auseinandersetzung weiterbringt im
Nachdenken darüber, was Soziale Arbeit ist.
Gender Studies seien unnütz – dies ist immer häufiger und immer lauter zu hören. Entsprechende Lehrstühle, Institute, Studiengänge und Forschungsprojekte werden zu ideologischen Kaderschmieden erklärt, in denen eine feministische Weltherrschaft vorbereitet würde, statt seriöse Wissenschaft zu betreiben. Jeder Cent öffentlicher Förderung sei einer zu viel. Tatsächlich hat die ungarische Regierung kürzlich die Gender Studies aus der Liste der zugelassenen Studiengänge gestrichen. Auch hierzulande scheint die Lobby für entsprechende Maßnahmen zu wachsen, zumindest verschafft sie sich mehr öffentliches Gehör.
Doch welche Folgen hat es eigentlich, wenn ein Berufs- und Wissenschaftsfeld wie Soziale Arbeit nicht (mehr) auf Genderwissen zurückgreift – weil dieses für obsolet erklärt wird – oder zurückgreifen kann – weil es demontiert und nicht mehr weiterentwickelt worden ist? Was passiert konkret, wenn die „Zukunftsvision einer gender-freien Wissenschaft und Praxis“ sich erfüllt?
Ende des Jahres ist in vielen Bereichen ein guter Zeitpunkt, das letzte Jahr Revue passieren zu lassen. Auch wir als Vorstand wollen auf das vergangene Jahr zurückblicken und einige Highlights und besondere Entwicklungen für die DGSA nochmals in den Blick nehmen.
Als mich die Anfrage der Social-Media-Beauftragten der DGSA erreichte, ob ich Lust und Zeit hätte, etwas für den Blog der DGSA zu schreiben, war ich nicht nur positiv überrascht, dass „die Macher*innen“ mich überhaupt gefunden hatten, ich freute mich besonders, dass sie mir die Gelegenheit geben wollten, zumindest einen Teil meiner Gedanken mit den Leser*innen zu teilen. „Zu welchem Thema soll ich denn schreiben?“, fragte ich die Verantwortliche. „Das Thema können Sie im Grunde frei wählen (irgendwie Pre-Con)“, kam prompt als Antwort. Und ich sagte kurzentschlossen zu. Und damit begann die Herausforderung… Was würden die Leute denn hören, bzw. lesen wollen? Wozu wollte ich mich denn eigentlich äußern? Und wie konnte ich das mit der Pre-Con verbinden?
Die
rasante technische Entwicklung ist nicht mehr zu übersehen, digitale Geräte
sind in jedem Haushalt zu finden und die Auswirkungen auf die Individuen und
die Gesellschaft zeigen sich deutlich. (vgl. JIM-Studie 2017).
Dadurch verändern sich auch die Aufgabenbereiche der Sozialen Arbeit. War vor einigen Jahren die Digitalisierung im sozialen Bereich noch Sache der Medienpädagogik, kann sich nun, bedingt durch die Durchdringung aller Lebensbereiche mit digitalen Medien, die Soziale Arbeit nicht mehr auf diese Expert*innen verlassen. Sozialarbeiter*innen müssen selbst aktiv werden.
Aktuell verändern sich klassische Arbeitsbereiche der Sozialen Arbeit drastisch, es kommen aber auch neue Arbeitsbereiche hinzu, die noch kaum Beachtung gefunden haben.
Ob man aus der Perspektive eines „langen Sommers der Migration“ (Sabine Hess et al.) oder auch eines „kurzen Sommers der Barmherzigkeit“ (Paul Mecheril) auf das Jahr 2015 schaut – drei Jahre später scheinen die europäischen Gesellschaften weit entfernt von einer positiven Sicht auf Migration, von offenen Armen und Willkommen.
„Draußen sterben die Leut‘“, so hat die taz am 03.07.18 getitelt. Wir sind in einer Situation, in der selbst die zivile Seenotrettung der NGOs von der Wucht der europäischen Staatsmächte getroffen wird. Sie werden angegangen, lahmgelegt und angeklagt, mit dem Ziel sie systematisch davon abzuhalten, Leben zu retten, mit dem Ziel den zivilgesellschaftlichen Mut auszuschalten und mit dem Ziel, die Menschen sterben zu lassen.
Seit nunmehr fast 50 Jahren wird Soziale Arbeit (und ihre Vorläuferfächer Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Sozialwesen u.a.) als Studienfach einerseits an Fachhochschulen respektive Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und andererseits als Sozialpädagogik/Soziale Arbeit an Universitäten gelehrt. Seit einiger Zeit gibt es jedoch auch mit Berufsakademien bzw. Dualen Hochschulen und anderen Institutionen alternative Modelle, die allesamt ein (noch) deutliche(re)s Gewicht auf hohe/höhere Anteile von integrierter Praxis legen.
Die Jahrestagung der DGSA war auch in 2018
rekordverdächtig: Mit 650 Anmeldungen konnte die Zahl der TeilnehmerInnen aus
dem Vorjahr übertroffen werden. Ein kleines Outtake sei mir gestattet. Das Organisationsteam
kam zwischenzeitlich ordentlich ins Schwitzen, da diese große Menge an
Menschen, insbesondere während der Auftaktveranstaltung, kaum unterzubringen
war. Aufgrund des enormen Engagements aller Beteiligten gelang es
schlussendlich doch, einen passenden Saal in der Laeiszhalle anzumieten.
Gebührlicher und hanseatischer hätte die Begrüßung aus meiner Sicht kaum
ausfallen können.
Warum dieser Beitrag?
Eigentlich immer, wenn eine Konferenz, an der Mensch teilnehmen möchte, ansteht und der Call for Papers ins Haus flattert, stehen die großen Fragen an: Was hat der eigene Themenschwerpunkt mit diesem Call zu tun? Wie finde ich die passenden Verbindungen, wo gibt es Anknüpfungspunkte und wie formuliere ich das am besten aus?
Die Tagung „gender_wissen in den Forschungsfeldern der Sozialen Arbeit“ beschäftigte sich mit der Bedeutung von Genderwissen für Wissenschaft, Forschung und Gesellschaft.
Dabei befasste sie sich auch mit der teilweise fehlenden Bereitschaft der Öffentlichkeit, Genderwissen zur Kenntnis und ernst zu nehmen.
Angesichts aktueller Angriffe auf die Gender Studies, auf gendersensible, queere und feministische Forscher_innen und entsprechende Positionen von Hochschulangehörigen hält sie diese Thematisierung sowie deutliche Positionierungen von Wissenschaftler_innen und Hochschulen für die Akzeptanz von Genderwissen, Genderforschung und gendersensiblem Handeln für nötig.